interview

interviewer:
marion godau, (karin schmid-ruhland 06.2006)
2004-10-07


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Pia Pötting
Wie würdest du jemand anderem deinen Job beschreiben?
Ich bin Designerin, das ist ja klar. Mein Gebiet ist Kommunikation, von der Außendarstellung bis zur Verpackung. Dabei formuliere ich neue Inhalte, berate in strategischen Fragen.

Was ich im Job tue ist zuhören, fragen, verstehen, reflektieren und den Kunden spiegeln. Dann geht es aber erst los. Ich entwickle etwas oder moderiere Entwicklungen. Wichtig ist dabei, was das Unternehmen tragen kann. Ich lege großen Wert darauf, über die Aufgabe hinaus Tools für zukünftige Herausforderungen zu entwickeln.

Welche Arbeiten oder auch Ereignisse waren besonders wichtig für dich?
Spontan sage ich: ich habe zwei Kinder geboren. Was man da frisch beobachten und nachlernen kann ist großartig. Das hat auch beruflich Folgen: Vorher habe ich immer davon gesprochen, wie wichtig planen und organisieren ist, aber eigentlich kam es nicht so drauf an, denn zur Not war ja immer open end. Heute gehe ich tatsächlich diszipliniert mit meiner Zeit und der Organisation um. Ich muss klare Ziele definieren können und wissen, welche Ressourcen ich nutzen kann. Davon profitiere ich im Beruf sehr.

Wichtig war auch die lange Zeit als Mitarbeiterin von Egon Chemaitis. Ich habe viel über Designgrundlagen gelernt, ein Thema, das mich nach wie vor interessiert.

Ach ja - ein Schlüsselprojekt war das „Büro für Auskunft“, das während des Studiums entstand. Wir wollten einmal einen Gegenstand von Anfang bis Ende entwerfen. Roericht war das zu konkret und er gab uns die Aufgabe, binnen vier bis sechs Wochen ein Unternehmen zu entwickeln. Nach dieser Zeit wollte er’s laufen sehen. Das hat uns natürlich angespornt. Wir haben dann das „Büro für Auskunft“ ins Leben gerufen: Man konnte bei uns anrufen und jede Frage stellen, ganz gleich, welches Thema. Das war kurz nach der Maueröffnung und wir dachten, dass es bestimmt jede Menge Fragen geben würde. Wichtig ist das Projekt deshalb für mich, weil mir dabei klar geworden ist dass ein Produkt nicht materiell sein muss. Es kommt vielmehr darauf an, Know how zu entwickeln und Methoden anwenden zu können, Ideen eine Gestalt zu geben. Das Projekt war großartig hat Mut gemacht und eine Menge Erfahrung gebracht. Und wir waren überrascht, was man entwickeln kann und wie schnell man zu einem Ergebnis kommen kann.

Mit wem bist du so in Verbindung oder mit wem arbeitest du zusammen?
Je weiter ich mich von ID4 entferne, desto mehr fühle ich mich mit ID4 verbunden. Aber ich arbeite wenig mit ID4lern zusammen. Mit Marcus Reiber und Katrin Warneke mache ich ab und zu Projekte, etwa das Projekt HYPERLINK "http://www.gedankengut.de" www.gedankengut.de. Ich arbeite lieber mit Leuten anderer Disziplinen zusammen, weil sie anders an Aufgaben herangehen und man da mehr lernen kann. Das ist befruchtender.

Woran oder wo würdest du gerne arbeiten? Was würde dich reizen?
Schwierige Frage. Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit den Dingen, wie sie gerade sind. Ich entwerfe für mein Leben gern neue Unternehmungen. Außerdem würde ich gerne mehr beruflich unterwegs sein.

Wer oder was bringt dich auf Ideen und turnt dich an?
Aufgaben, die in den Aufträgen stecken. Dinge die schwierig sind oder „nicht gehen“ – das macht mich an.

Wenn du gerade nicht arbeitest, wo bist du am liebsten?
Auf Reisen.

Auf was könntest du leicht verzichten?
Auf Leute, die maulen und sich ständig beschweren, sich aber trotzdem nicht vom Fleck bewegen.

Was hat dir für die Praxis am meisten gebracht?
Neugierde und Begeisterungsfähigkeit.

Was fällt dir als erstes ein, wenn du an Dein Studium im ID4 denkst?
Spannung. Aber auch Anspannung. Immer wenn man dachte, man wüsste, wo der Hase läuft, stellte man womöglich am nächsten Tag fest, dass der Hase die Richtung gewechselt hatte oder vielleicht ein Kamel geworden war.
Dann fällt mir noch ein: die ständige Irritation, Beweglichkeit und der Wechsel von Standpunkten.

Welche Lehr-Ansätze von ID4 funktionieren für dich noch? Oder vielleicht gerade heute?
Die Art und Weise wie man an Themen herangeht. Das genaue Beobachten, Fragen stellen und daraus etwas entwickeln. Und Nicks „Anweisung“: „Trainiere dein Repertoire und höre nie auf damit. Achte darauf, wie du deine Aufgabe beschreibst“.

Was hat dir im Studium gefehlt? Allgemein und bei ID4?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite waren Irritation und Beweglichkeit ganz wichtig, auf der anderen Seite fehlte mir ein sicheres Gerüst. Ich weiß, dass das ein Widerspruch ist – trotzdem: Man hatte nie das Gefühl, dass man etwas abarbeiten kann und dann ist man fertig. Dann hat man’s gut gemacht. Das war ja auch die Würze. Es gab kein Rezept oder eine definierte Methode von Nick. Nie war man zu Ende. Er hat uns machen lassen und immer eine neue Frage gestellt. Wir haben zwar Modelle gebaut, aber ich denke, wichtiger als das Endprodukt war Nick die Dokumentation des Weges.
Wir lernten, präzise zu dokumentieren, denn was du nicht dokumentiert hast, fand auch nicht statt.
Das war eine gute Besonderheit im ID4: immer dokumentieren und die Ideen nachvollziehbar machen. Vielleicht hat das ID4 deshalb so viele Grafiker hervorgebracht.