interview

interviewer:
marion godau
2004-02-23


protraitbild

Holger Hund
wie wuerdest du jemand anderem deinen job erklaeren?
Ich sorge dafür, dass Druckunterlagen der Anzeigenkunden druckfähig werden und als saubere Anzeige in der Berliner Tageszeitung ”Der Tagesspiegel” erscheinen können. Das beinhaltet auch die Nachbearbeitung und Rettung elektronischer Daten incl. Farb- und Schriftenmanagement am Mac.

welche arbeiten oder auch ereignisse waren besonders wichtig fuer dich?
Unter vielen vier: a) 1986/87 habe ich zusammen mit einem Musikerfreund das Nordseeschutz-Festival in Bremerhaven organisiert. Es wandte sich gegen das Dünnsäure-Verklappen ins küstennahe Meer. Wir haben Greenpeace und Robin Wood zusammengebracht und Künstler wie Will Quadflieg, Heinrich Alberts, Wolf Biermann u.v.a. dazu eingeladen. Das war eine schöne und äußerst lehrreiche Geschichte, finanziell jedoch sehr riskant. Zum Glück sind wir da nur mit einem leichten Minus rausgekommen. b) 1987/88 war ich ein halbes Jahr in Südamerika, in Montevideo. Nach Tschernobyl wollten meine Freundin und ich evtl. nach Argentinien, Brasilien, Paraguay oder Uruguay auswandern. Wir haben uns für das gemäßigte Klima Montevideos (politisch wie meteorologisch) entschieden und dann dort gelebt. Das war eine interessante Erfahrung. Auf Designer haben sie dort allerdings nicht gerade gewartet, auch nicht in Buenos Aires, wo ich auch versuchte, als Designer zu arbeiten bzw meine Entwürfe anzubieten. c) Unsere Projektgruppe hat bei Roericht 1980 das Projekt Leuchte bearbeitet; jeder seinen eigenen unabhängigen Entwurf. Im Folgesemester haben Andye und ich auf der Grundlage unserer Entwürfe das Projekt autarker Entwerfer/Realisierer in Angriff genommen, woraus zwei Kleinserien von 3 Leuchten bei Andye und 20 Leuchten von mir hervorgingen. 85 % meiner Auflage wurden auch gut verkauft. Später habe ich versucht, sie weiter zu vermarkten, was unglaublich schwer ist, wenn man als Einzelkämpfer keinen Namen und keine Kontakte hat. d) Bei Büchin Design habe ich 1985/86 ein Jahr als Modellbauer gearbeitet, wo ich viel gelernt habe, zum Beispiel Konstruktion von der Pieke auf. Das bildete die Grundlage für meine späteren Jahre als Einzelkämpfer. Eines meiner Standbeine war dann der Architektur-Modellbau. 1995 begann eine Durststrecke. Glücklicherweise erhielt ich nach einigen kleineren Jobs eine Dozentenstelle in der Erwachsenenbildung, wo ich 1 Jahr lang zukünftige Möbelfachverkäufer mit Schwerpunkt Design unterrichtete. Danach habe ich noch 1 Jahr lang erfolgreich Wochenendseminare in eigener Regie mit den Themen Internet und Computer für Senioren veranstaltet. Danach musste ich wegen schlechter Zahlungsmoral meine Selbständigkeit bis auf weiteres aufgeben. Zum Job beim Tagesspiegel bin ich eher zufällig gekommen. Da konnte ich mich relativ schnell konsolidieren. Begraben habe ich das Design auf längere Sicht aber nicht.

mit wem bist du so in verbindung oder mit wem arbeitest du zusammen?
Mit Andye Hartmann und Gert Schneider habe ich lockeren Kontakt, auch gelegentlich mit Franz Lorenz, dessen Labor Berlin ich eine zeitlang auch für gemeinsame Projekte beigetreten war.

triffst du noch ehemalige id4ler oder arbeitest du mit ihnen zusammen?
s.o.

woran oder wo wuerdest du gerne arbeiten? was wuerde dich reizen?
Da bin ich eigentlich ganz offen. In Montevideo hatte ich die Idee, ein Flugzeug zu entwickeln. Das ist aber unrealistisch, erst recht als Einzelkämpfer. Die Idee war aber gut. Es ging darum, ein bestimmtes Flugzeug für Gegenden, die nur mit dem Flugzeug zu versorgen sind, zu entwickeln. Eine Art Entenflügler, der wenig Sprit braucht, Platz für fünf Leute und/oder Versorgungslast hat und robust ist. Das würde ich gerne weiterentwickeln.

wer oder was inspiriert dich/bewunderst du im moment? wer oder was bringt dich auf ideen und turnt dich an?
Eigentlich der Alltag, das Beobachten. Ich habe eigentlich nie Angst gehabt, dass mir nichts einfällt. Dann inspirieren mich noch assoziativ denkende und unkonventionelle Menschen.

was faellt dir als erstes ein, wenn du an dein studium im id4 denkst?
Ich würde es jederzeit wieder machen. Ich empfinde Design eigentlich nicht als Arbeit; hier wird für mich Hobby zum Beruf. Design dürfte von vielen Unternehmen allerdings nicht länger als lästiger Kostenfaktor, sondern als Chance für eine bessere Position gegenüber Wettbewerbern angesehen werden.

was hat dir für die praxis am meisten gebracht?
Das ist eine schwierige Frage. Die Praxis war auch eine autodidaktische Sache. Den Gestaltungsprozess lernte man schon in der Uni. Aber nicht, sich im Haifischbecken zu behaupten. Oder die Vermarktung von Entwürfen. Aus dieser Ecke kam überhaupt nichts. Das ist ziemlich sträflich.

welche lehr-ansätze von id4 funktionieren für dich noch? oder vielleicht gerade heute?
Die Frage ist mir zu theoretisch. Ich habe immer einen Weg gesucht, wie ich durch Ausprobieren im Experiment am schnellsten zu Lösungen komme. Gut am Studium war das Projektstudium, um ein zielorientiertes, funktionsfähiges Ergebnis zu bekommen. Das hing sicherlich auch mit der Person Roericht zusammen. Deshalb sind wir ja bei ihm geblieben - ich zumindest.

wenn du gerade nicht arbeitest, wo bist du am liebsten?
In der Sonne.

auf was koenntest du leicht verzichten?
Auf vieles. Eigentlich brauche ich nur ein Existenzminimum. Aber als Designer auf eigene Faust braucht man schon mehr, auch um Rücklagen für Entwicklungszeiten bzw. Durststrecken bilden zu können, das ist ein Problem. Nicht nur für mich.

was hat dir im studium gefehlt? allgemein und bei id4?
Nick Roericht war nie richtig im Projekt drin, sondern ist immer nur sporadisch hereingeschneit. Andererseits konnte er wichtige praktische Anstösse im sonst so verwaltungsorientierten Unibetrieb bringen, z.B. die Mock-Up-Werkstatt. Ich hätte mir allerdings mehr Präsenz und konstruktive Kritik in den Projekten gewünscht; die Assistenten konnten oder wollten letzteres in den seltensten Fällen leisten.