interview

interviewer:
marion godau
2004-02-27


protraitbild

Stefan Rothert
wie wuerdest du jemand anderem deinen job erklaeren?
Jens Imig, Birgit Schlegel und ich haben ein Designbüro mit 9 angestellten Mitarbeitern. So wie wir uns eingerichtet haben, ist es eigentlich so, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich habe es selbst in der Hand, was ich mache und bin nicht festgelegt auf eine bestimmte Gestaltungsrichtung. Wir bieten Grafik, 3D- und digitale Gestaltung an und können so umfassende Projekte bearbeiten. Meine Tätigkeit im Designbüro besteht zu 30% aus reiner Erntwurfsarbeit. Der Rest ist Organisation, Kommunikation und Management, um den Entwurf zur Umsetzung zu bringen.

welche arbeiten oder auch ereignisse waren besonders wichtig fuer dich?
Die Geburt meiner Tochter. Sie ist gehörlos und das war zuerst ein ziemlicher Einschnitt. Aber es hat sich, brutal gesagt, positiv auf mein Berufsleben ausgewirkt. Durch die Beschäftigung mit einer anderen Welt relativiert sich das, was man unter anderem als Designer macht. Manche Designer nehmen sich da viel zu wichtig. Wobei wir bei gewerk das immer anders gesehen haben als eine reine One-Man-Show. Wir arbeiten zusammen und pflegen die Beziehungen zu Kunden und Mitarbeitern. Wir schaffen uns unsere eigene kommunikative Welt und versuchen deren Vorteile an die Leute, die mit uns arbeiten möchten, weiterzugeben. Momentan sieht es aus, als würde das Konzept aufgehen, denn wir arbeiten mal wieder an der Grenze unserer Belastbarkeit.

mit wem bist du so in verbindung oder mit wem arbeitest du zusammen?
Wir arbeiten im Gestaltungsalltag eigentlich nicht mit ID4lern zusammen. Die aus unserer Generation machen meist sowieso ihre eigenen Sachen. Nick hat sich meiner Meinung nach bei dem Jahrgang, der unserem folgte, nicht mehr so richtig in der HdK engagiert. Wir greifen bei gewerk mehr auf Praktiker zurück, z.B. Studenten aus Schwäbisch Gmünd. Sehr viel Kontakt haben wir aber zu Martin Rossmann. Als SysAdmin ist er sehr wichtig für uns. Sporadischen Kontakt habe ich zu Werner Aisslinger, Bernhard Meyer, Klaus Michel und Sanne Jünger.

triffst du noch ehemalige id4ler oder arbeitest du mit ihnen zusammen?
s.o.

woran oder wo wuerdest du gerne arbeiten? was wuerde dich reizen?
Es reizt mich meist, woran ich gerade arbeite. Wir haben schon viele interessante Projekte gemacht. Eigentlich weiß ich gar nicht, was sonst noch kommen könnte. Oft sind wir überrascht, welche neuen herausfordernden Aufgaben uns immer wieder von Außen gestellt werden. Und bleiben diese aus, stellen wir uns eben selbst ein Thema. Faszinierend an unserer Arbeit ist die Bandbreite der Kommunikation mit verschiedensten Leuten: vom Handwerker, über mittelständische Unternehmer, Politiker und Museumsdirektoren, bis hin zu Künstlern. Ein Projekt, an dem ich vielleicht gerne arbeiten würde, auch weil es beinahe dekadent ist, wäre ein Automobil-Konzept mit allem Drum und Dran mit zu gestalten. Das klingt vermessen, ist es aber eigentlich nicht. Wir haben mit dem Velotaxi ja schon im Transportbereich gearbeitet und versucht, ein alternatives Mobilitätskonzept in unseren Breiten zum Leben zu erwecken. So etwas wie das Smart-Konzept finde ich schon faszinierend, weil die Komplexität des Produktes beinahe alle Lebensbereiche durchdringen kann. Hochbau-Architektur haben wir bisher auch noch nicht gemacht. Solche Überlegungen kommen aus der Auffassung heraus, dass es Gestaltungsschubläden für uns nicht gibt. Ein Gestalter kann ein Haus vom Konzept her gestalten, aber dann muss er irgendwann wissen, wo seine Grenzen sind und im Team weitermachen. Das ist, was wir bei gewerk ? daher auch der Name? immer wieder suchen.

wer oder was inspiriert dich/bewunderst du im moment? wer oder was bringt dich auf ideen und turnt dich an?
Keine Ahnung. Jens Imig und Birgit Schlegel und ich entwerfen sehr gut und effektiv zusammen. Was man im Studium gelernt hat, ist, aus den ganzen Einfällen den Tragfähigsten weiter zu entwickeln. Der eigentliche Gestaltungsvorgang ist der interessanteste, aber auch der am schnellsten erledigte Teil der Arbeit. Die meiste Arbeit ist das Kommunizieren, um den Entwurf zu vermitteln und durchzusetzen. Das wirkliche Umsetzen eines Konzeptes unter realen Bedingungen kam im Studium etwas zu kurz, geht aber vielleicht auch nicht anders im Rahmen einer Kunst-Hochschule.

was faellt dir als erstes ein, wenn du an dein studium im id4 denkst?
Die Form war nicht so wichtig, sondern, dass das Konzept stimmig ist. Wichtiger als der Gegenstand war also der Weg dahin. Die Gefahr lag für mich und andere in der Überschätzung des Konzepts. Eine Idee allein macht noch kein Konzept und erst recht keinen Gegenstand. Den braucht es aber am Ende, in welcher Ausformung auch immer, damit der Mensch überhaupt mit dem Konzept umgehen lernen kann. Dieses Etwas muss selbstverständlich am Ende auch gut gestaltet sein. Erst wenn beides zusammenkommt, wird es ein gutes Design.

was hat dir für die praxis am meisten gebracht?
Eigentlich schon das Studium. Allerdings muss die Grundfähigkeit zum komplexeren Denken, wie es in ID4 gefordert war, schon bei den Studierenden vorhanden sein. Das kann man nur ganz begrenzt lernen und trainieren. Mir gefiel die Offenheit der Fachgruppe, neue Anstöße zu geben. Und Nick gelang es zum einen, einen Moment vor der Zeit zu sein, zum anderen, Menschen wie Ettore Sottsass oder Karen Thomas zu einem Vortrag im Fachbereich zu bewegen. Design-Aktuell nannte sich das. Solche Angebote gab es als erstes nur bei Roericht. Das fand ich eigentlich am inspirierendsten.

welche lehr-ansätze von id4 funktionieren für dich noch? oder vielleicht gerade heute?
Da kann ich nur zitieren und unterstreichen, was Nick mal gesagt hat. Er meinte, er habe überhaupt keinen Nerv, Leute für den heutigen Arbeitsmarkt auszubilden, sondern dass sie auch in Zukunft, also noch lange nach dem Studium, ihren Beruf ausüben können. Das ist ihm für manche, denke ich, auch gelungen.

wenn du gerade nicht arbeitest, wo bist du am liebsten?
Da unternehme ich am liebsten etwas mit meiner Familie. Aber ich arbeite eigentlich ganz gerne. Leben und Arbeiten gehören für mich zusammen. Ich bin genauso gerne hier im Büro, Zuhause oder im Urlaub. Was mir gefällt, ist die Abwechslung.

auf was koenntest du leicht verzichten?
Auf fast alles, außer auf die Leute, mit denen ich arbeite und zusammenlebe. Alles andere ist nicht so wichtig.

was hat dir im studium gefehlt? allgemein und bei id4?
Die Umsetzung von Gestaltungskonzepten, bzw. Wege dort hin. Die Konzepte waren meistens dicke Studien - viel Papier. Zudem glaube ich, dass die ganz jungen Studenten mit dem ID4-Studium nicht so gut klarkamen, wie die älteren. Die konnten eher das rausziehen, was für sie nützlich war. Die ganz jungen waren zu arg emotional eingebunden und konnten sich meist nur schwer in ihren individuellen Fähigkeiten entfalten.