interview

interviewer:
Interview 1.0.0. Simone Kaempf, September 2005






Karl-Heinz Rubner
wie würden sie jemand anderem ihren job erklären?
Ich bin, was man unter einem klassischen Designer versteht. Mein Büro entwickelt und begleitet Produkte von der Konzeption bis zur Serienreife und oft darüber hinaus. Wir konzipieren und entwickeln für unterschiedlichste Unternehmen. Viel Computer-Peripherie wie Scanner, Drucker, Digitalkameras etc., Outdoor-Equipment und auch das eine oder andere Büromöbel, wenn ich Spaß bei der Entwicklung habe und mich das Thema interessiert.

wann und warum wurden sie ans ID4 berufen?
1981 oder 1982 muss das gewesen sein. Nick kam aus Berlin immer etwas frustriert zurück und entwickelte deshalb die Idee, seinen Studenten zu zeigen, wie er in Ulm lebt und arbeitet. Aus den Diskussionen mit ihm ­- ich war damals freier Mitarbeiter ­- haben wir die Ulmer Woche entwickelt. Viele haben sich ja gefragt, warum kommt er (Nick) nicht nach Berlin, warum lebt er in diesem Ulm. Ich habe die Ulmer Woche für die Studenten gemanagt und organisiert. Lebhaft kann ich mich noch an die erste Ulmer Woche erinnern. Da wurde auf dem HfG-Gelände ein richtiges Zeltlager veranstaltet. Morgens haben wir die örtlichen Designbüros besucht, von denen es damals viele in Ulm gab, nachmittags wurde an kleineren Objekten gearbeitet. Vor allem ging es aber darum, die andere Seite von Nick zu zeigen, also die enge Verwebung mit der HfG und der Stadt, sowie den Teamgeist der Gruppe zu stärken.

was fällt ihnen zu der zeit und den umständen spontan ein?
Das Besondere war, dass die Studenten, allesamt aus dem 3. und 4. Semester, in Berlin bisher immer nur wenige Stunden miteinander gearbeitet hatten. Jetzt mussten sie plötzlich eine Woche lang sehr intensiv zusammen sein und merkten zum ersten Mal, was es bedeutet, unter enormem Zeitdruck Kreativität zu entwickeln. Viele waren in Urlaubsstimmung angereist, und plötzlich hieß es, dass am Ende der Woche eine Präsentation vor geladenen Gästen stand. Die Liste der Gäste war lang, sie reichte von Nicks Büro-Mitarbeitern über Freunde, Mitarbeiter der besuchten Büros, Ulmer Design-Größen, den Bürgermeister bis zur lokalen Presse.

welche rolle hatten sie zu spielen?
Während der Woche vor allem die des Moderators, Mittlers und Fährtenlegers.

übereinstimmungen / inspirationen / reibungen an nick roerichts positionen?
Uns verbindet vor allem die kindliche Neugierde und die Sammelleidenschaft. Die Sammelleidenschaft hat bei mir jedoch in den letzten Jahren nachgelassen. Ich sammle nur noch Dinge in Hosentaschengröße. Inspiration und Reibung liegen für mich sehr dicht beieinander. Nick hat die Gabe, Enden offen zu lassen, nicht konkret zu werden. In meinem Büroalltag ist dies leider nicht möglich, ich muss konkretisieren und bei Präsentationen auf nahezu alle Fragen eine Antwort wissen.

kontakt / zusammenarbeit mit damaligen mitmachern und ID4lern?
Ich habe nie viel mit ID4lern gearbeitet. Das hängt mit meiner Bürosituation zusammen. Aber ich habe tatsächlich noch zu einigen ehemaligen Studenten und zu Lehrenden Kontakt.

was würden sie im nachhinein, angenommen die zeitreise wäre bei gleicher ausgangslage möglich, anders machen?
Nichts. Die Ulmer-Wochen waren getragen von Spontanität. Alles ist so abgelaufen, wie es ablaufen musste.

wenn sie lehren, welche ansätze von damals sind für sie hilfreich?
Ich habe bis 1989 in Schwäbisch Gmünd gelehrt, bin also schon lange aus dem "Geschäft". Wenn, dann würde ich nach wie vor versuchen, die Grundlage von Design, das "Sehen", das "Wahrnehmen" zu vermitteln, die Neugierde zu wecken.

sehen Sie die disziplin design mittlerweile übergehen, mutieren, sich entwickeln in andere formen und ausrichtungen?
Unsere Stärke ist es, Dinge zusammen zu tragen. Wir sind Generalisten. Im Gegensatz dazu wird die Welt immer arbeitsteiliger und die Entscheidungsebenen immer gestückelter. Vor zwanzig Jahren habe ich in der Regel mit Firmeneignern gesprochen. Sie waren auch diejenigen, die das "Marketing" machten. Heute treffe ich auf Sales-, Produktions-, Produkt- und Design-Manager. Wenn in dieser Konstellation über neue Produkte geredet und entschieden wird ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die Gruppe sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt. Dies geht in der Regel zu Lasten des Produkts.

welche hoffnungen oder ängste knüpfen sie daran?
Ich will das nicht bejammern, ich sehe nur, dass es passiert. Ich bin ein leidenschaftlicher Macher, und uns werden immer mehr Fesseln angelegt. In Unternehmen wächst der Hang, alles auf der Grundlage der voraussichtlichen Kosten in Frage zu stellen. Innovation und Ästhetik kommen dabei unter die Räder. In "Project-Windows" gibt es für Werkzeugkosten eine rationale Größe, für Design nicht.

worauf könnten Sie leicht verzichten?
Auf Personenkult. Design ist "Mannschaftssport". Oder, technisch ausgedrückt: Gute Produkte sind nur möglich, wenn alle Räder verlustfrei ineinander greifen. Kein Designer kann heute noch irgendetwas alleine realisieren.